TAG 4, 08. JANUAR 2012 - AUF DEM WEG NACH NIZWA

Fanja

Wetter: Sonne, 28°

 

Wir starteten heute Morgen von Muscat aus in Richtung Nizwa, der nächsten Station unserer Reise. Und ich kann jetzt schon sagen, wir haben viel erlebt…

 

Nachdem wir recht schnell unseren Weg gefunden hatten, hielten wir schon bald an der ersten Station des heutigen Tages an: dem kleinen Städtchen Fanja.

 

Während wir noch auf der Suche nach dem richtigen Weg waren, wurden wir von einem jungen Mädchen in hervorragendem Englisch angesprochen. Sie wollte uns unbedingt durch ihren Ort führen. Wie nett. Und so zeigte sie uns den kleinen Ortsteil, in dem auch sie mit ihren Eltern wohnt. Einfach nett, wie schon gesagt. Und wie so viele Menschen hier im Oman. Immer wieder werden wir nett gegrüßt. Immer wieder werden wir angesprochen und gefragt, wie es uns geht und woher wir kommen. Immer wieder wird die Hand zum Gruß gehoben… Wirklich sympathisch diese Omanis.

 

Aber zurück zu unserer kleinen Führerin. Sie machte das ganz prima und zeigte uns die Badehäuser für Männer und Frauen (natürlich getrennt). Und wir waren ganz überrascht, dort zu sehen, dass hier heißes Quellwasser durch die Falajs (Wasserkanäle) in den Kabinen fließt. Und auch an einer weiteren Stelle, wo ein alter Mann dabei war, Wasserflaschen aufzufüllen, war das Wasser warm. Mit der Zeit kamen immer mehr Kinder dazu, die uns schüchtern, aber dennoch neugierig beobachteten.

 

Am Ende des Dorfes, in der Nähe des Friedhofes, endete unsere Besichtigungstour, da unsere kleine Führerin nun nicht mehr weiter laufen durfte. Wirklich ein nettes Mädchen, dem es so viel Freude bereitete, ein wenig ihr Englisch zu üben – auf das sie so stolz ist, und uns ihren Ort zu zeigen. Sie will eines Tages Chirurgin werden „Insch’Allah“. Da drücke ich ganz fest die Daumen, dass sie ihre Träume realisieren kann. Kurz vor der Verabschiedung fragten wir noch, was sie denn normalerweise nachmittags nach der Schule macht: „Playstation“ spielen war die Antwort ;-). Die Moderne findet sich also auch hier im kleinsten Ort wieder.

 

Wir blieben noch ein wenig in Fanja und stiegen auf den Hügel bis zum ältesten Teil der Stadt hoch. Hier erwartete uns ein ganz irritierendes Bild. Hinter einem Tor befanden sich zahlreiche zerfallene und verlassene Lehmhäuser. Eine ganz bizarre Atmosphäre. Dieser alte, verlassene Ortskern Al Hijra ist rundum mit einer Wehrmauer umgeben und nur durch zwei Eingangstore zu erreichen. Denn aufgrund der strategisch günstigen Lage konnte Fanja im 18. Jahrhundert zwei wichtige Verbindungswege kontrollieren: von Muscat ins Landesinnere und zum anderen die Wege vom westlichen zum östlichen Teil des Hajar Gebirges.

Wadi Qurai

Alle Häuser hier wurden tatsächlich aus Lehm errichtet. Wie wir später erfuhren, ist die Lehmziegel-Bauweise im Oman weit verbreitet, da die luftdurchlässigen Ziegel für ein angenehmes und kühles Wohnklima sorgen. Zudem ist Lehm als Baustoff billig, überall vorhanden und leicht zu verarbeiten. Hierbei wird Lehm mit Wasser, Stroh und Gips vermischt und so lange geknetet (mit den Füßen!), bis eine gleichmäßige Masse entsteht, die dann in einen Holzkasten gegossen wird, der dem Lehm die Ziegelform gibt. Nach Entfernen des Holzkastens werden die Ziegel in der Sonne getrocknet und im Anschluss verbaut. Gebrannt werden diese Ziegel nicht. Häufig in einer Kombination mit Natursteinen im untersten Teil, um den Bauwerken Stabilität zu verleihen. Mit einer weiteren Lehmschicht verputzt, werden diese Gebilde so stabil und wasserabweisend, dass sie gut und gerne mehrere Jahrhunderte überstehen können.

 

Wir hatten allerdings den Eindruck, als wäre kurz vorher ein Wirbelsturm durch das Dorf gegangen und hätte alle Häuser zerstört. Ganz irritierend. Alles zerfallen und verlassen. Manu öffnete dann die Tür zu einem Haus, das in gutem Zustand schien und so erkundeten wir das Gebäude und konnten uns dann vorstellen, wie es hier eventuell einmal ausgesehen hat. Ein wirklich spannender Ort – und ganz schön heiß zudem. Und mit wunderbaren Ausblicken auf das Wadi und die darin gelegenen üppigen Palmenhaine. Wirklich spannend dieser Kontrast zwischen den ganz trockenen Gebieten auf der einen Seite – und plötzlichen grünen Oasen, die immer wieder auftauchen.

 

Nach ungefähr einer Stunde hier machten wir uns weiter zu unserer nächsten Etappe. Nach ca. 40km erreichten wir das Wadi Qurai. Wie schon so häufig auf dieser Reise, waren wir uns erst einmal nicht sicher, ob wir an der richtigen Stelle parkten. Es war das Ende der befahren Straße, genau wie im Reiseführer beschrieben. Aber konnte man denn weiterlaufen??? Wir probierten es aus und entdeckten, dass man auf den Falaj balancieren musste, um der richtigen Strecke zu folgen.

 

Falaj sind übrigens Wasserkanäle, die für die künstliche Bewässerung errichtet wurden. Ein notwendiges Instrument zum Überleben und vor allem für die Landwirtschaft in einem Land, in dem in den meisten Gebieten nicht mehr als 50mm Niederschlag im Jahr fällt. Die Ursprünge dieses mittlerweile von der UNESCO als Weltkulturerbe angesehenen Bewässerungssystems gehen in das 6. Jahrhundert vor Christus zurück. Das Wasser wird dabei in unterirdischen Stollen talabwärts geleitet, um dann am Ende in einer offenen Rinne (Falaj) in die Siedlungen und Gärten zu fließen. Heutzutage ist der Staat für die Einrichtung der Kanäle innerhalb des Stollens zuständig, für alle Sanierungs- und Bauarbeiten an der Erdoberfläche ist dann die Dorfgemeinschaft selbst zuständig. Die Verteilung des Wassers ist streng geregelt. Kleine Aussparungen in den Rinnen ermöglichen das Weiterleiten des Wassers in andere Kanäle kleinerer Garten- oder Agrarparzellen. Diese Aussparungen sind normalerweise durch Sandsäcke oder Ähnliches versperrt und werden – je nach Wasserrecht eines Oasenbauern – geöffnet. Und so gibt es tatsächlich in jedem Dorf zuständige Personen für die Verteilung, die Wartung und die Einreibung der Wassergebühren.

 

Und auch die Reihenfolge der Wassernutzung ist streng geregelt. Während möglichst nah am Ausgangspunkt des Wassers die Trinkwasserversorgung liegt, folgen im Anschluss die Stellen für die rituellen Waschungen. Weiter tiefer folgen die Stellen zum Tränken der Tiere, gefolgt von den durch Mauern verborgenen Waschplätzen für Männer und Frauen (natürlich getrennt) und den Stellen, an denen die Wäsche gewaschen wird.

Wadi Qurai

Noch vor wenigen Jahren, wurde das gesamte Land durch die über 4.000 Falajs mit Wasser versorgt – der allerdings immer weiter gestiegene Bedarf an Wasser überforderte allerdings das System, und so erfolgt die Wasserzufuhr der Küstenbewohner heutzutage hauptsächlich aus gereinigtem Meerwasser.

 

Schon gleich zu Anfang mussten wir über eine schmale Falaj Brücke – ohne jedes Geländer, in ca. 10m Höhe laufen. Da muss man schon schwindelfrei sein… Während ich dann weiter auf den Falaj lief – und so manches Mal auf dem Hosenboden weiterrobben musste, da ein Felsen mir den Weg versperrte – kletterte Manu im Tal über die Felsen. Bis es ihm auf einmal packte und er direkt auf einen Berg hoch kraxelte. Wow. Das sah ganz schön hoch aus.

 

Ich lief währenddessen weiterhin auf meinen Wasserkanälen entlang und freute mich an den wunderbaren Lichtspielen von Sonne und Bergen. Was für ein wunderschönes kleines Tal. So friedlich.

 

Nach ca. 45 Minuten Fußweg kamen wir dann zu den ersten natürlichen Pools, kleine Seen, inmitten der Berglandschaft. Und da das mit dem Felsenkraxeln bisher so gut geklappt hatte, und ich allmählich wohl ein wenig unvorsichtig wurde, habe ich mir doch glatt beim Übergang von einen auf den anderen Felsen den Fuß umgeknickt und bin auf beiden Knien gelandet… Was für ein Schreck. Und ich hatte wirklich Angst, dass das ein Bänderriss sein könnte – und damit alle weiteren Wandertouren des Urlaubs für mich gelaufen wären… Das wäre ja zu blöd gewesen. Aber nach dem ersten Schrecken und der ersten Kühlung in den kalten Pools, konnte ich feststellen, dass der Fuß zwar weh tat, ich aber auftreten konnte.* Und so lief ich dann auch weiter zu den größten der Pools – mit wunderbar klarem blaugrünem Wasser. Wie schön.

 

Der Rückweg lief problemlos. Jedenfalls was meinen Knöchel angeht. Denn zwischendrin mussten wir einer Ziegenherde den Vortritt auf dem Falaj lassen.

 

Gegen 17.00 Uhr erreichten wir dann unser Hotel „Golden Tulip“ in Nizwa. Leider liegt das Hotel ein wenig auswärts und wirkt ein wenig in die Jahre gekommen, aber für eine Nacht ist es durchaus in Ordnung. Wir luden nur schnell unser Gepäck aus und machten uns dann gleich auf in die Stadt Nizwa.

 

Nizwa, die frühere Hauptstadt des omanischen Reiches und vor allem im 17. Jahrhundert blühendes Zentrum von Religion, Philosophie, Kunst und Handel, war noch bis in die späten 70er Jahre gar nicht so leicht zugänglich. Bis 1976, als die Verbindung über den Suma’il-Pass noch eine holprige Piste war, brauchte man für die 140km lange Strecke mehrere Tage. Auch auf der ersten asphaltierten Straße musste man noch mit einem halben Tag Anreise rechnen, da diese häufig durch Überflutungen der Wadis immer wieder beschädigt wurde. Erst im 21. Jahrhundert wurde die moderne, 4-spurige Autobahn errichtet.

 

Seitdem wandelte sich das Oasenstädtchen immer mehr zur modernen Stadt, in deren Umgebung heute um die 90.000 Menschen leben. Aufgrund der guten Wasserversorgung vor allem des Falaj Daris, der über mehrere Kilometer unter der Erde verläuft, ist Nizwa von schönen grünen Palmenhainen umgeben, die sich über mehr als 8km erstrecken. Dank seiner Kanäle ist Nizwa aber auch Zentrum des Obst- und Gemüseanbaus. Und auch die bedeutendsten Vieh- und Gemüsemärkte der Region finden hier statt.

 

Hier in Nizwa gefiel es uns außerordentlich gut. Während mir Muscat und Muttrah viel zu weitläufig und so ganz ohne richtigen Stadtkern war, gab es hier endlich einmal ein Zentrum rund um das alte Fort, die Moschee und den Souk. Wirklich schön hier. Aber leider war es schon zu dunkel, um noch mehr zu entdecken. Und so besorgten wir lediglich ein Kühlgel für meinen immer dicker werdenden Knöchel und gingen dann essen.

Bin Ateeq Restaurant

Dieses Mal endlich typisch omanisch im Restaurant „Bin Ateeq“. Wir wurden in eine kleine Kabine geführt, mussten unsere Schuhe ausziehen und im Anschluss auf dem Boden Platz nehmen… Und dann studierten wir erst einmal die Karte. Während sich Manu für einen Fisch in einem Kokosnuss-Curry entschied, wählte ich viele kleine Vorspeisen. Und während wir auf unser Essen warteten, schlossen sich uns auf einmal 2 französische Paare an. Sie hätten zwar eigentlich ihre eigene Kabine gehabt – aber sowohl für sie als auch für uns war es netter, den Abend gemeinsam zu verbringen – und es war wirklich unterhaltsam.

 

 

*Wie dann allerdings leider fast 2 Monate später herauskam, ist das Band tatsächlich gerissen… Und ich habe da immer noch ganz schön dran zu knabbern…